„Schichtwechsel“ bringt allen einen spürbaren Mehrwert

Werkstatt-Mitarbeiter schnuppern in diversen Betrieben und deren Beschäftigte erkunden die Werkstätten in Lipperode und Bigge

Was für ein spannender Tag! Der „Schichtwechsel“ am 22. September zwischen Mitarbeitern der Werkstätten für Menschen mit Behinderung (WfbM) und Beschäftigten aus den unterschiedlichsten Betrieben war ein voller Erfolg. Beide Seiten erlebten Arbeit und Teilhabe aus einer ganz neuen Perspektive. Eine Erfahrung mit spürbarem Mehrwert, da sind sich alle Beteiligten einig.

Ein Blick ins Gesicht von WfbM-Mitarbeiterin und Schichtwechslerin Larissa L. indes zeigt mehr: Sie traut sich seit diesem Tag, in Richtung erster Arbeitsmarkt zu denken. Doch von vorn: Schon morgens um 8 Uhr war im Sauer- und Lipper-Land so einiges anders als sonst: Während Lena S. im Abteiladen Olsberg ihren ersten TV-Dreh hatte (das ARD-Morgenmagazin drehte anlässlich des Schichtwechsels), schwang Barbara L. den Kochlöffel in der Elisabeth Klinik. Andersherum machte sich Fort-Fun-Marketingmanager Dijamant Neziraj an der Drehmaschine in den Bigger WfbM zu schaffen und Schüler der Graf-Bernhard-Realschule Lippstadt durften in der WfbM Lipperode fleißig montieren. Von der Elisabeth Klinik Bigge bis zum Fort Fun in Bestwig, von der Schule an der Ruhraue bis zur Olsberg GmbH: Insgesamt konnten 13 Beschäftigte der WfbM die Gelegenheit nutzen, einen Tag in einem anderen Betrieb zu arbeiten. So hatten auch die Heiztechnik-Firma Sommer+Liese, der Abteiladen Olsberg, sowie die Unternehmen Pollmeier und Goodrich Lighting Systems GmbH & Co. KG in Raum Lippstadt fleißige Unterstützung. Und bei Axo.Media lernte Marina S., wie ein neues Sauerland-Magazin entsteht.

„Über den Tag haben wir fast alle Schichtwechsler begleitet und an ihren Tausch-Arbeitsplätzen befragen sowie fotografieren können. Zwei von uns waren draußen unterwegs und eine hat am PC dann schnell alles zu Posts verarbeitet. Das war Team-Arbeit pur für die Medienabteilung. Es hat total Spaß gemacht, zumal so viele glückliche Gesichter zu sehen waren“, zieht Ulrike Becker ein Resümee für ihr Team. Das Ergebnis bei Facebook und Instagram waren jede Menge Likes für die Beiträge, die das Team der Unternehmenskommunikation und Öffentlichkeitsarbeit nahezu jede halbe Stunde von einem anderen Schichtwechsel postete.

Werkstätten und ihr menschliches Potenzial sind sichtbar geworden
Ein Tag, eine Mission: Menschen mit Beeinträchtigungen in der Arbeitswelt sichtbar zu machen. Zu demonstrieren: Ja, wir können zwar nicht alles an diesem Arbeitsplatz ausführen, aber doch sehr vieles! „Es gibt häufig Potenzial, auch wenn jemand nicht die 100 Prozent wie ein Mitarbeiter ohne Beeinträchtigung schaffen kann, gut das dafür Budget für Arbeit inclusive Lohnkostenzuschuss und Betreuungsleistungen zur Verfügung steht“ betont Susanne Schepp, Inklusionsassistentin der Werkstätten in Bigge und Lipperode. Sie wünscht sich das ganze Jahr über für möglichst viele WfbM-Beschäftigte in ihrer Einrichtung Erstkontakte und Schnuppertage auf dem ersten Arbeitsmarkt.

Und wer weiß, was daraus wird? Larissa L. erlebte einen ihrer glücklichsten Tage im Berufsleben bei ihrem Rollentausch in der Schule an der Ruhraue. Selbst Kinder mit körperlichen oder geistigen Beeinträchtigungen beim Lernen oder in der Motorik zu fördern, das ist einfach ihr Ding. (eventuell Zitat?) Fest steht: Ein weiteres Praktikum soll folgen. Und sie hat bereits herausgefunden, dass es auch eine Ausbildung gibt, die sie vielleicht schaffen könnte.

Wahnsinnig stolz waren auch die Schichtwechsler im Freizeitpark Fort Fun, die bereits am Ende des Schichtwechseltages riesige Karussells zum Fahren brachten. Weitere Praktika möglich? Unbedingt, sagt das Parkteam, das von den Tausch-Mitarbeitern auch menschlich begeistert war.

„Josefsheim-Werkstätten leisten Großartiges“
Doch gerade auch jene Menschen, die aufgrund ihrer zu großen Beeinträchtigung eben nicht im normalen Berufsalltag unterkommen können, brauchen die Struktur eines Arbeitstages. „Für sie gibt es bundesweit über 400 Werkstätten für Menschen mit Behinderung. Denn hier passt sich die Tätigkeit dem individuellen Können an!“, betont Janine Rottler, pädagogische Geschäftsführerin der Josefsheim gGmbH. „Menschen mit Behinderung finden es oft gerade gut, wenn sie über den Arbeitstag auch immer wieder die gleichen Abläufe ausführen können. Sie brauchen diese Struktur, das gibt viel Sicherheit.“

Die Schichtwechsler, die in den Werkstätten schnupperten, staunten nicht schlecht, was hier geschaffen wird. Zehn Mitarbeitende aus verschiedenen Betrieben lernten die beiden WfbM in Bigge und Lipperode und ihre Beschäftigten kennen. Ihre wichtigste Erkenntnis: „Wirklich für jeden wird hier eine Tätigkeit ganz entsprechend seiner Fähigkeiten gefunden, das ist toll!“ Mit unterwegs war am Schichtwechsel-Tag auch die Sozialwissenschaftlerin Anne Zulauf von der Justus-Liebig-Universität Gießen, die gleich einen ganzen Tag lang mit unterwegs war. Sie betont: „Ich bin begeistert, wie gut und innovativ die Werkstätten hier aufgestellt sind und agieren. Sie leisten tolle Arbeit!“ Sie weiß außerdem, dass sich Inklusion und Teilhabe für klassische Betriebe durchaus lohnt: “Bis zu 75 Prozent der Lohnkosten können Betriebe durch das Bundesprogramm ‘Budget für Arbeit’ zurückbekommen”, erklärt sie. „Leider wird dieses Angebot von den Unternehmen bisher nur sehr selten wahrgenommen. Dennoch bin ich fast
sicher, dass der heutige Schichtwechsel eine Initialwirkung zur Verstetigung der Zusammenarbeit mit den teilnehmen Betrieben haben wird“, zeigt sich Zulauf zuversichtlich.

Diese Zuversicht war den ganzen Schichtwechsel-Tag über spürbar. „Am Nachmittag, als alle Schichtwechsler noch einmal zusammenkamen, konnten wir viele strahlende Gesichter sehen!“, freut sich Janine Rottler. Sie weiß: „Wir haben Begegnungen geschaffen und hoffentlich das ein oder andere Vorurteil ausräumen.“ Noch dazu habe man sich und die Arbeit hervorragend präsentiert. „Ein Schritt zu mehr gesellschaftlicher Anerkennung, wie sie so dringend bei den Themen Inklusion und gesellschaftlicher Teilhabe von Menschen mit Behinderungen nötig ist. Wir haben heute erneut gezeigt, wie ernst wir den Auftrag nehmen, Menschen mit Behinderungen auf ihrem individuellen Weg zu begleiten“. Für Larissa L., die sich auch als Frauenbeauftragte in der Werkstatt engagiert, ist der Impuls für Mehr definitiv gesetzt: „Mit Kindern zu arbeiten, das ist echt mein Ding!“ Hier hat Larissa eine echte Berufung gefunden, die sie gern auch zum Beruf machen würde. Genau so muss es sein!

Weiterführende Informationen

  • Am bundesweiten Aktionstag „Schichtwechsel“ nahmen bundesweit mehr als 100 Werkstätten aus 15 Bundesländern teil, das ist ein neuer Rekord;
  • So waren zum Beispiel auch der Fußball-Bundesligist Hertha BSC und das Abgeordneten-Büro von Olaf Scholz dabei;
  • Das ARD-Morgenmagazin sendet am 30. September ab 5.30 Uhr im ersten Programm den TV-Beitrag zum Josefsheimer Schichtwechsel;
  • Wer Potentiale für einen Arbeitsplatzwechsels der in der Werkstatt arbeitenden Menschen sieht, kann sich jederzeit bei Susanne Schepp, Inklusionsassistentin der WfbM, Tel. 02962 800-158, Email: s.schepp@josefsheim.de;
  • Nächster Schichtwechsel ist am 12. Oktober 2023

Bildrecht
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Hintergrund: Josefsheim gGmbH
Als führender Inklusions-Dienstleister in Südwestfalen für Menschen mit Körper-, Lern-, Sinnes-, psychischen, geistigen und Mehrfachbehinderungen sowie für Menschen, die kurzfristig oder dauerhaft einen besonderen Unterstützungsbedarf haben, begleitet das Josefsheim-Team mehr als 800 Menschen jeden Alters.

Sowohl das Berufsbildungswerk Bigge, das Heinrich-Sommer-Berufskolleg, die Werkstätten für behinderte Menschen in Bigge und Lipperode, die ambulanten und besonderen Wohnangebote an Standorten im Hochsauerlandkreis und Kreis Soest, die Heilpädagogische Kindertagesstätte Sonnenschein sowie der Franziskushof als Ausbildungs- und Werkstattbetrieb gehören zum Gesamtunternehmen Josefsheim gGmbH, den führenden Inklusions-Dienstleister in Südwestfalen. Im Mittelpunkt steht hierbei immer der einzelne Mensch mit seinen individuellen Vorstellungen und Zielen, sowohl für die Beschäftigten, Mitarbeitenden, Bewohner:innen als auch den Mitwirkungsgremien der verschiedenen Unternehmensbereiche sowie den beiden Fördervereinen in Lipperode und Bigge.

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